Was bleibt vom Reformationsjahr?

Nachricht 06. April 2018

Außer Spesen nichts gewesen? Der Veranstalter wollte es wissen: Was bleibt vom Gedenkjahr der Reformation? Ist da wirklich etwas in Bewegung gesetzt worden? Diese bewusst provokant formulierte Frage stellte das Ludwig Windhorst-Haus in Lingen bei seinem diesjährigen Festakt. Als Referenten eingeladen waren Landessuperintendentin Dr. Birgit Klostermeier für den Sprengel Osnabrück der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Weihbischof Johannes Wübbe als Vertreter des Bischofs von Osnabrück und Dr. Martin Heimbucher, Kirchenpräsident der Evangelisch-reformierten Kirche .

Gelungener Auftakt: Ökumenischer Gottesdienst

Den ökumenischen Gottesdienst hatten die drei Kirchenoberen gemeinsam mit Vielen in der Hauskapelle gefeiert. Im fast voll besetzten Vortragssaal hielten sich evangelische (ca. 40%) und katholische (ca. 60%) Zuhörer beinahe die Waage, wie Moderator Dr. Michael Reitemeyer zu Beginn der Podiumsdiskussion per Handzeichen feststellen konnte. In die Diskussion startete er mit der eher ungewöhnlichen Frage nach der größten Enttäuschung im Reformationsgedenkjahr. Von einer solchen konnte indes niemand sprechen. Es habe bei ihr die Sorge gegeben, so Dr. Birgit Klostermeier, dass sich nach zehn Jahren vorbereitender Lutherdekade durch die EKD bereits vor dem Beginn des Jahres 2017 Erschöpfung in den Gemeinden und Einrichtungen breitmachen könne. Die Sorge sei ihr jedoch vollständig genommen worden. Weihbischof Wübbe wollte als Enttäuschung höchstens die Erfahrung nennen, besondere Gottesdienste oder andere Erlebnisse verpasst zu haben.

„2017 ist nicht vom Himmel gefallen“

Ob das Gelingen von Ökumene von persönlichen guten Beziehungen abhänge? wollte Reitemeyer von den Vertretern der Konfessionen wissen. „2017 ist nicht vom Himmel gefallen“, betonte Wübbe und spielte damit auf das über Jahrzehnte gewachsene Verhältnis zwischen den Konfessionen auf vielen Ebenen an. Klostermeier hob die guten Erfahrungen bei den gemeinsamen Veranstaltungen und Gottesdiensten hervor, bei denen man sich persönlich in respektvoller Weise und in guter Geschwisterlichkeit näher gekommen sei. Dazu gehöre auch Auseinandersetzung in gegenseitiger Achtung. Heimbucher ergänzte das gewachsene Vertrauen, das es erlaube, offen auch Verletzendes ansprechen zu können.

Wer versteht noch die Trennung?

Reitemeyer hakte nach: „Wie kann man „Otto Normalverbraucher“ die Gründe der Trennung noch plausibel machen?“ Für Weihbischof Wübbe war klar, dass das nur noch „Insidern“ vermittelbar sei. Auch Kirchenpräsident Heimbucher wurde deutlich: Er verstehe es nicht als seine Aufgabe, eine Trennung plausibel zu machen, die vor Gott und den Menschen unverantwortbar sei. Von Christus her gehören wir zusammen und sind zur Einheit berufen, so Heimbucher. Daran müssten die Kirchen weiterarbeiten. Für Klostermeier ist eine Kirche, die alle umschließt, vor allem eine erhoffte, geglaubte Vorstellung. Diese brauche sichtbare Zeichen. Gemeinsam Abendmahl feiern zu können sei ein solch starkes Zeichen. Die Kirche institutionell zusammenzuführen hält Klostermeier dagegen aktuell  für nicht realistisch. Die Weite und Vielfalt des Glaubens würde gerade auch in der Verschiedenheit der Kirchengestalten deutlich.

Der Einladende ist Christus

Das Thema Abendmahl bewegte auch die Zuhörer, wie in anschließenden Fragerunden deutlich wurde. Der Einladende zum Abendmahl sei Christus selbst und nicht eine Kirche oder eine Konfession – betonte Heimbucher sein reformiertes Verständnis vom Abendmahl. Und ergänzte selbstkritisch, dass es auch für dieses gemeinsame Verständnis unter den verschiedenen protestantischen Konfessionen Jahrhunderte gebraucht habe.

Der Reformationstag 2018

Wie man den Reformationstag 2018 gestalten wolle, fragte ein Zuhörer. Der Reformationstag müsse ökumenisch gedacht und mit einer politischen Dimension gefüllt werden, antwortete Landessuperintendentin Klostermeier und ergänzte, dass seine Ausgestaltung die Zukunft der ganzen Gesellschaft im Blick haben müsse. Auch Weihbischof Wübbe und Kirchenpräsident Heimbucher sehen den Tag als große Herausforderung für die Kirchen. Heimbucher will ihn „mit dem Besten füllen, was wir in 2017 erlebt haben“ – das seien die ökumenischen Gottesdienste gewesen. Und, so Heimbucher weiter, es sei völlig in Ordnung, sich auch einfach über den freien Tag zu freuen und etwas ganz anderes zu tun.

„Was ist der nächste Schritt?“ wollte Dr. Reitemeyer zum Abschluss wissen. Für den Weihbischof ist es wichtig, die Ökumene weiterzudenken, unruhig zu bleiben und nicht stehen zu bleiben. In dieselbe Richtung ging auch das Statement der Landessuperintendentin, die die konkreten Veränderungen in den Gemeinden vor Ort entdecken und unterstützen will. Der Kirchenpräsident der reformierten Kirche sieht mit Bezug auf die Confessio Augustana (das Augsburger Bekenntnis von 1530) im Jahr 2030 den nächsten erkennbaren Schritt zur Einheit.

Den Audiomitschnitt des Podiumsgespräches können Sie hier nachhören.