Bibel im Alltag - „Vom Produkt her sind wir nicht auf den Markt eingestellt“
Einmal im Jahr lädt die Ev.-luth. Landeskirche Hannovers zu einem ökumenischen Treffen der Bibelgesellschaften und Bibelwerke in Niedersachsen und Bremen ein. Mit einem fachkundigen, kritischen und zugleich motivierenden Impulsvortrag fesselte Dr. Christian Brenner von der Bibelgesellschaft Stuttgart dieses Mal die Runde.
In dem Vortrag ging er zunächst auf das Thema Bedeutungsverlust von Kirche als gesellschaftlich leitender Institution ein und skizzierte die durch die Digitalisierung bedingten Auf- und Umbrüche in der Gesellschaft. „Zwischen Resignation und Chance“, so bezeichnete er die Situation, in der sich Kirche aktuell befinde. Angesichts der subjektiv von vielen empfundenen Situation der Überforderung erfahre die Spiritualität eine Renaissance, altbekannte Marken hätten Zulauf, Werte wie Treue seien auch bei Jugendlichen wieder hoch im Kurs. In dieser Situation werde der Bibel – mehr noch als der Institution Kirche – auch bei Jugendlichen eine kulturelle Grundbedeutung zugemessen.
An dieser Stelle setzt Brenner mit seinem „Bibel-Begegnungszirkel“ als Arbeitsmodell an. Dabei fragt er zunächst danach, wie und wo Menschen im Alltag überhaupt mit der Bibel in Berührung kommen. Fünf Ebenen benennt Brenner. Sie reichen vom 2-3 Sekundenimpuls über einen motivierenden Gedanken oder Bibelspruch, Interesse, Routine bis hin zum durchdringenden Wissen über die Bibel. Letzteres bedarf einer zeitlich intensiven Auseinandersetzung. Selbstkritisch nahm Brenner die Angebote der Bibelgesellschaft unter die Lupe: Fast alle setzen mindestens Routine beim Umgang mit der Bibel voraus. „Vom Produkt her sind wir nicht auf den Markt eingestellt“, so Brenners Fazit. Die Bibelgesellschaft müsse ihre Rolle neu überdenken und ihr Selbstverständnis von der „Komm“- zur „Geh-Struktur“ verändern. Das schließe auch ein ökumenisches Verständnis über die Bedeutung der Bibel für die Gestaltung des kirchlichen, persönlichen und gesellschaftlichen Lebens mit ein, so Brenner. Zum Ende seines Vortrages wurde er konkret: “Was können wir tun?“ Authentisch, emotional und stark in der Bild-Textaussage müsse die Bibel als Impuls und Interesse erzeugende Botschaft wahrgenommen werden. Ein paar konkrete, kreative Angebote stellte er vor: Der gelungene Bibelturm in Wittenberg, eine Aktion mit sog. Edgar-Cards, die an ungewöhnlichen Orten (Kulturzentren, Kneipen etc.) überraschende biblische Impulse setzen und eine sehr gute Mitnahmequote erzielt hätten sowie eine Kooperationsidee mit einem Flughafen mit dem Ansatzpunkt der Abschiedssituation. Was es braucht, so Brenner, seien Mut und die Bereitschaft, mal wieder ins Risiko zu gehen. Und natürlich auch die Bereitschaft zu Investitionen.
Der Einladung von Dr. Klaus Grünwaldt aus den Landeskirchenamt Hannover waren rd. 14 Vertreter der Bibelgesellschaften und Bibelwerke in Niedersachsen und Bremen gefolgt. Traditionell routieren die Treffen. Das diesjährige fand in den Räumen der Bibelgesellschaft Osnabrück gleich hinter der Marienkirche statt.
BU: Vertreter der Bibelgesellschaften und Bibelwerke aus Niedersachsen und Bremen zu Gast bei der Bibelgesellschaft Osnabrück. Foto: B. Neuhaus