Über Jesus Christus reden im 21. Jahrhundert – Wie geht das?
Wie reden Pastorinnen und Pastoren, Diakoninnen und Diakone im 21. Jahrhundert von Jesus Christus und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Kirche? Beim gemeinsamen „Dies academicus“ am 8. März, den der Sprengel Osnabrück und die Theologische Fakultät der Universität Osnabrück erstmalig durchgeführt haben, fanden Theorie und Praxis zueinander. „Die Christologie ist uns in der Praxis etwas abhanden gekommen“, begründete Landessuperintendentin Dr. Birgit Klostermeier bei ihrer Begrüßung das Thema des Tages und freute sich über die gute Resonanz dieses ersten „Dies academicus“.
Bei einigen der rd. 30 Pastoren und Diakone war es schon ein paar Jahre her, seit sie das Pult in einem Hörsaal heruntergeklappt und eifrig mitgeschrieben haben. In seinem Eröffnungsvortrag fragte Prof. Dr. Gregor Etzelmüller: „Können wir unsere alten Traditionen so lesen, dass sich darin ihr Potential für heute zeigt?“ Dazu griff er weit zurück auf die reformierte Lehre vom dreifachen Amt Jesu Christi als König, Priester und Prophet. So beschreibt schon der Heidelberger Katechismus (1563) das Wirken von Christus auf die Welt und auf das Leben jedes einzelnen Christen. Die Aussagen übertrug Etzelmüller auf die Kirche des 21. Jahrhunderts und wurde dabei zum Abschluss seines Vortrages sehr konkret, indem er Prüffragen für Gemeinden formulierte: Wo spüren wir das königliche, das priesterliche und prophetische Wirken des Geistes Jesu Christi in unseren Gemeinden? Wo werden Benachteiligte in den Blick genommen, wo sprechen wir unangenehme Wahrheiten aus, wo sorgt das priesterliche Handeln (nicht nur) im Gottesdienst für heilsame Unterbrechungen? Wo nehmen wir unsere Selbstvergewisserung kritisch in den Blick? Etzelmüller stieß mit seinem Vortrag viele Fragen der Teilnehmenden an und sorgte für regen Austausch untereinander.
Prof. Dr. Anselm C. Hagedorn widmete sich in seinem Vortrag den alttestamentlichen Messiasvorstellungen. Auf erfrischende Art und Weise vermochte er es, die häufig aus der Advents- und Weihnachtszeit so vertrauten Bibeltexte in ihren Kontext einzuordnen und zu verdeutlichen, dass diese Texte sehr jung und zudem ein Randphänomen des Alten Testaments darstellen.
Nach der Mittagspause setzte sich der „Dies academicus“ in zwei parallelen Workshops weiter fort. Prof. Dr. Andreas Kubik-Boltres arbeitete mit seinen Teilnehmern zum Thema „Religionstheorie oder Überzeugungskraft Jesu – Predigen mit dem Gedanken an die Zweifelnden im Hinterkopf“. Dr. Merdan Günes vom Institut für Islamische Theologie bearbeitete das Thema „Jesus im Koran und in muslimischer Frömmigkeit“ und sorgte für manche Entdeckungen und kritische Rückfragen. Spätestens jetzt war klar: So ein Fachtag hätte länger sein können.