Über das Neue -
Über viele Jahre hin war es so, wenn zum neuen Schuljahr die neuen Hefte gekauft wurden. Stolz nahm ich sie in die Hände, roch an ihnen und verband mit ihnen einen Vorsatz: Nie wieder Kleckse. Denn so lagen sie in meinen Händen: kein Eselsohr, keine blaue, auch keine rote, die zensierende und Fehler markierende Tinte, dafür die Seiten leer, nur die zarten Linien sichtbar, die der Schrift eine Richtung geben sollten, als warteten sie geduldig auf das, was kommt. Doch es dauerte nicht lange, Vorsätze hin oder her, dann sahen sie nicht mehr viel anders aus als die anderen, die alten Schulhefte.
So ist es auch mit den neuen Jahren. 2018, 2019, 2020. Eine neue Zahl, ein neuer Kalender. Das alte Jahr wird mit viel Getöse verabschiedet. Für einen kleinen Moment, wenn wir uns zuprosten, einander umarmen und uns „ein gutes Neues“ zurufen, glauben und hoffen wir es: Das Neue wird gut und besser.
So ist es auch, wenn das Leben ganz neu in die Welt kommt und ein Mensch geboren wird. Die kleinen Füße haben die Erde noch nicht berührt. Die kleinen Hände tasten und suchen noch. Angewiesen darauf, dass man sie hält. Für Mama, Papa und alle drum herum ist alles neu. Offen, was kommt. Und sie hoffen, es soll gut werden.
Nirgendwo sonst in der Welt kann man mehr sehen und erleben, was im Leben wichtig ist, als am neuen Menschen. Denn der Neuling zeigt, dass jeder Mensch auf den anderen angewiesen ist von Anfang an. Vielleicht vergessen wir das zwischendurch. Werden schmerzlich erinnert, wenn es uns trifft als Angehörige oder als Alte, krank oder pflegebedürftig. Wir bleiben aufeinander angewiesen. Das ist zutiefst menschlich. Wir sind geburtlich, endlich, verletzlich und sterblich. Hier in dieser Geburtlichkeit liegt unsere Würde und unsere Schönheit.
Vielleicht deshalb lieben wir das Geheimnis von Weihnachten. In diesem Neuen zeigt sich Gott selbst in dieser Welt.
Zwei, drei der alten Hefte habe ich noch. Manchmal fallen sie mir in die Hände und ich sehe die Jahre dazwischen, die Kleckse und blauen und roten Tintenzüge, die sich in all der Zeit angehäuft haben. Ich denke daran, dass alle unsere Namen im Himmel geschrieben sind und es in der Bibel heißt: „Die Barmherzigkeit Gottes hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu.“
Ein friedvolles neues Jahr wünscht Ihnen
Ihre Landessuperintendentin
Birgit Klostermeier