Das hätte ich mir nicht träumen lassen….
Dr. Birgit Klostermeier spricht bei der traditionellen Herbstmahlzeit der Frauen des Verkehrsvereins Osnabrück (VVO) über das Reformationsjahr, über Ökumene und über das, was bleiben wird.
„Ein Glückwunsch an Sie, dass Sie hier sind“, begrüßt Mechthild Möllenkamp die 60 weiblichen Gäste, „denn wenn wir einladen, muss man sich schon beeilen, um eine Karte zu bekommen“. Frau Möllenkamp ist Vorstandsmitglied des traditionsreichen VVO, der in einem jahrhundertealten Steinwerk am Heger Tor sein Domizil hat. Die Herbstmahlzeit als Tradition der regelmäßigen Damen-Treffen war vor über 10 Jahren von Maria Feldkamp eingeführt worden. Als Gegenüber der bekannten „Osnabrücker Grünkohlmahlzeit“, bei der mit Ausnahme des Servicepersonals nur Männer zugelassen sind.
Der regionale Bezug zählt
Inhaltlich geht es bei der Herbstmahlzeit um regionale Themen. Dr. Birgit Klostermeier spricht als Regionalbischöfin und Sprecherin der Trägergemeinschaft „500 Jahre Reformation – Region Osnabrück“ über Höhepunkte im zurückliegenden Reformationsjahr und über Perspektiven der gemeinsamen Erfahrungen. Gleich zu Beginn macht sie deutlich, dass das Reformationsjahr noch nicht abgeschlossen ist, eine Bilanz noch verfrüht sei.
„Um Gottes Willen den Menschen achten. Um des Menschen Willen Gott achten“. Diese von Dr. Birigt Klostermeier formulierte These war zum Reformationstag 2016 als Lichtinstallation neben rd. 20 weiteren Thesen an den Kirchenmauern von St. Marien und Dom zu lesen. „Beides gehört zusammen“, so Klostermeier. „Denn es geht um die Frage, wie wir die Welt und die Gesellschaft gestalten. In welcher Form wir Verantwortung übernehmen“. Im Mittelpunkt stehe der Mensch in seiner Bedürftigkeit und auch in der Suche nach dem Sinn seines Daseins. Diese Suche werde in einer Gott vergessenen Zeit nicht einfacher. Deshalb: „Wir müssen auch in dieser Zeit wieder in das Gespräch über Gott kommen“, so die Regionalbischöfin. Die Lichtinstallation war für sie einer der Höhepunkte.
Türen in die Zukunft
Auch die Schüleraktion „Türen in die Zukunft“, die zur Kulturnacht vor dem Dom aufgebaut war, hat bei Birgit Klostermeier einen großen Eindruck hinterlassen. „Eine Tür hat sich mir ins Herz geschlichen“, so die Regionalbischöfin. Eine Hauptschulklasse hatte auf ihrer Thesentür persönliche Erfahrungen der Zurücksetzung und Gewalt aufgeschrieben und diese kontrastiert mit Hoffnungsbotschaften, die auf einem bunt gestalteten Tuch bewusst so im Türrahmen angebracht waren, dass sich die Türe nicht mehr ganz schließen ließ.
Ökumene im Reformationsjahr
Eine persönliche Bereicherung sei für sie auch der neu gewonnene Kontakt mit der katholischen Kirche. „Ich hätte mir vor zwei Jahren nicht träumen lassen, dass wir den Reformationsgottesdienst in diesem Jahr ökumenisch feiern“, sagt Klostermeier. Es sei einfach, zu benennen, was trennt. Aber es sei bereichernd, gemeinsam zu entdecken, was uns verbindet, so die Landessuperintendentin. Und: Die gesellschaftlichen Herausforderungen erforderten mehr gemeinschaftliches als abgrenzendes Denken.
„Wartet nicht auf die Bischöfe“
In der anschließenden Fragerunde war das Abendmahl Thema und die Erfahrung, dass die Gemeinden „viel weiter“ seien, als ihre Kirchenleitungen. „Stimmt“, bestätigte Birgit Klostermeier und fügte den Ausspruch ihres Landesbischofs Ralf Meister hinzu: „Wartet nicht auf die Bischöfe“. Angesichts zunehmender Säkularisierung und Pluralismus zeigte sich die Regionalbischöfin überzeugt, dass die Ökumene weiter vorangetrieben werde. „Wir sind dran“, sagte sie. Es gehe nicht mehr darum, eigene Identität in Abgrenzung zu andern zu pflegen, sondern im Stolz auf das Eigene einander in Offenheit zu begegnen. „Wir stärken Kultur, wenn wir Vielfalt miteinander kennen lernen“.
Jahresgabe des VVO zum Reformationsjahr
Als Dankeschön für einen spannenden Abend überreichten Mechthild Möllenkamp und Maria-Elisabeth Griesert die „Jahresgabe“ des VVO, die in diesem Jahr an das Reformationsjahr erinnert. Die limitierte Kunstserie wurde von der Osnabrücker Künstlerin Hiltrud Schäfer geschaffen. Der Druck auf handgeschöpftem Papier wird nun einen Platz in der Landessuperintendentur bekommen.
Herbstmahl garniert Gaumenfreuden mit Themen der Zeit
Aller guten Dinge sind Zwei! Das gilt für die Damen im Verkehrsverein Stadt und Land Osnabrück. Sie kommen nicht nur im Sommer zu Spargelmahlzeit zusammen, sondern später im Jahr auch zur traditionellen Herbstmahlzeit. Neben den Gaumenfreuden steht dabei immer ein aktuelles Thema auf dem Speiseplan der illustren Damengesellschaft – von der Philosophie über die Kunst bis hin zur Religionswissenschaft. Business-Trainerin Daniela Ben Said aus Osnabrück war als Referentin ebenso schon zu Gast wie Unternehmensentwicklerin Anne-Mette Steenken aus Diepholz. Auch einige Herren durften sich schon als Gastredner vor der Frauenrunde beweisen. Aber ansonsten bleibt das Herbstmahl fest in Frauenhand. (eb VVO)