„Das hätte ich selber nicht gedacht, dass ich mich mal so in der Kirche engagieren würde“
Ehemalige Behelfskirche in Glandorf erwacht zu neuem Leben
Gerhard Böcker engagiert sich seit seinem Eintritt ins Rentenalter in der Gemeinde. Seine Konfirmanden-Zeiten hat er in keiner guten Erinnerung: „Der Pastor hat damals geschrieen und geschlagen.“ Den Gang zur Kirche machte Böcker deshalb lange Zeit nur zu bestimmten Anlässen. Doch als der ehemalige Geschäftsführer mit 67 in Rente ging, da wollte er seine beruflichen Erfahrungen weiter einsetzen – da, wo sie gebraucht werden. „Ich habe in Hannover ein Seminar von der Landeskirche besucht, in dem es um die Gestaltung von Kirchenräumen ging. Die Kirche sollte nicht aussehen wie ein Wohnzimmer, mit Nippes hier und da. Einladend ist sie nur, wenn sie aufgeräumt und funktionell ist“, das hat Böcker vor zwei Jahren gelernt, und gleich im Kripplein Christi in die Tat umgesetzt. Das Gebäude bekam einen neuen Anstrich und eine neue Küche. Moderne Technik zog ein: eine Videoanlage mit Leinwand und Beamer, eine neue Mikrofonanlage und eine neue Heizung. Finanziert wurde das durch Spenden. Außerdem mussten einige Dinge weichen, die Gemeindemitglieder übrig und der Kirche überlassen hatten, die aber nicht zusammen passten.
Offen für Neues und zur Kooperation
Gleichzeitig rührte Pastor Stephan Jannasch, der gemeinsam mit seiner Frau Michaela die Kirchengemeinde Bad Laer-Glandorf betreut, die Werbetrommel, um wieder Leben ins Kripplein Christi zu bringen – mit Erfolg. Schließlich hat er Erfahrung – die Gemeinde in Bad Laer arbeitet schon lange mit dem örtlichen Kulturverein zusammen. Jannasch wusste also, wen er ansprechen konnte. Zwei Chöre proben nun inzwischen im Kripplein Christi. Es gibt regelmäßig Kinoabende, Konzerte und Vorträge – selbst organisiert oder von einem der Kulturpartner KuK.SOL, Kultourgut e.V. oder der Malschule Glandorf. In diesem Jahr wird es außerdem zum ersten Mal zwei Konzerte der Osnabrücker Universitätsmusik im Kripplein Christi geben.
Wechselvolle Geschichte des Kirchleins
Wer zum ersten Mal in die Glandorfer Krankenhausstraße einfährt, der könnte das Kripplein Christi allerdings glatt übersehen. In einer Reihe von Wohnhäusern steht die hölzerne Kirche, die 1952 nach Glandorf kam. Damals war sie schon vierzig Jahre alt und eigentlich für den Abriss vorgesehen. Doch das bis damals stark katholisch geprägte Glandorf brauchte dringend ein Gotteshaus für die Hunderte von Protestanten, die nach dem Krieg aus Pommern, Ostpreußen und Schlesien in die Gemeinde gekommen waren. Jahrelang durften sie für ihre Gottesdienste den Saal eines Gasthauses nutzen, dann wurde das Kripplein Christi frei. Die Gemeinde in Holsen-Ahle bei Bünde bekam eine Steinkirche; sie verkaufte das Kripplein Christi nach Glandorf. Gebaut wurde die als Behelf gedachte Holzkirche schon 1912 in Bethel. Eine Stele vor dem Bau erzählt die Geschichte.
Auch eine Geschichte der Ökumene
„Die Skepsis der Glandorfer den Protestanten gegenüber war zunächst groß. Das reichte zurück bis zu Gustav Adolf und dem Dreißigjährigen Krieg“, erzählt Kirchenvorsteher Böcker im Gespräch mit Landessuperintendentin Birgit Klostermeier. „Heute begrüßen wir die Leute hier mit Handschlag. Und es kommen auch immer mehr, die nicht evangelisch sind.“ Zu Pfingsten feiern Protestanten und Katholiken sogar eine gemeinsame Andacht – das wäre früher undenkbar gewesen, sagt Böcker. „Die Menschen kommen in eine Kirche, weil sie das Wort Gottes hören und was mitnehmen wollen“, sagt Böcker, „dabei sollen sie sich wohl fühlen“ – das ist sein Prinzip.
Die Seele reinigen - dafür gibt es verschiedene Wege
„Dieser Ort ist für mich etwas ganz Besonderes“, sagt auch die Hobbykünstlerin Nadeschda Schneider, deren Bilder sich größtenteils mit der Natur beschäftigen. „Ich male, wenn es mir nicht gut geht, wenn ich meine Seele reinigen möchte. Und das ist auch der Grund, warum Menschen in die Kirche gehen; auch sie wollen Reinigung für ihre Seele. Deshalb freue ich mich, dass ich meine Bilder hier ausstellen darf“, berichtet die 57-Jährige.
Regionalbischöfin Klostermeier sieht eine Verbindung zwischen der Arbeit von Nadeschda Schneider und Gerhard Böcker: „Nadeschda Schneider malt, um ihre Seele zu reinigen, um frei zu sein und offen für Neues – und genauso hat Gerhard Böcker den Kirchenraum gereinigt – von allem, was ablenkt. Das Kripplein Christi ist jetzt ein einladender Ort, Gott zu entdecken und Gemeinschaft zu leben – und dies in aller Offenheit: Kunst und Kultur, Musik und Gottesdienst, Feste und Stille. Als sei ein `neuer Geist´ eingezogen. Und das Dorf entdeckt, welches `neue Herz´ hier pulsiert. Die Worte der Jahreslosung passen für diese kleine Kirche, die mit ihrem Namen ja an Weihnachten erinnert. `Ein neues Herz und einen neuen Geist will ich Euch schenken.´ Ich bin tief beeindruckt, mit welcher Sorgfalt und Liebe Sie dies hier auf den Weg gebracht haben.“
Nach dem Besuch der Landessuperintendentin schließt Gerhard Böcker das Kripplein Christi ab. „Sprechen Sie manchmal von `Ihrer´ Kirche?“ fragt ihn Birgit Klostermeier. „Ehrlich gesagt: ja“, sagt Böcker und lächelt. Am nächsten Tag wird er das Kripplein Christi wieder aufschließen, zum Gottesdienst.