Mit Überzeugung und kein bisschen müde: Doris Schmidtke ist Diakoniepastorin im Kirchenkreisverband und Superintendentin a.D. im Kirchenkreis GM-Hütte und sie wird am Pfingstwochenende ihren 65. Geburtstag feiern. Für einen Rückblick ist es noch zu früh – für einen Blick in ein reiches Leben jedoch nicht. Ich treffe Doris Schmidtke in ihrem Büro im Haus der Kirche in Osnabrück, „dem schönsten im ganzen Haus“ wie sie selbst sagt. Und wir sind sofort mitten drin in ihrem Leben, als ich erfahre, dass sie Anfang der 90er Jahre „Öffentlichkeitsarbeit der Kirche“ überhaupt erst einmal zu einem Thema von Kirche gemacht hat.
Zonenrandgebiet und Gorleben prägten früh
„Ich war damals geprägt von der Gorleben-Thematik“, erklärt sie. Ihre erste Pfarrstelle trat sie im Kirchenkreis Lüchow an. Im Sprengel Stade hat sie die Funktion der Öffentlichkeitsbeauftragten – zunächst nur als Projekt tituliert - fünf Jahre lang ausgeübt. Dem Projektstatus ist die Öffentlichkeitsarbeit der Kirche mittlerweile entwachsen. Aber zurück zum Anfang:
1. Frage: Warum sind Sie Theologin geworden?
„Zwei Gründe“, sagt Doris Schmidtke: „Zum einen habe ich in der Oberstufe in Religion die historisch- kritische Methode kennengelernt, das fand ich spannend, davon wollte ich mehr. Zum andern: Es gab sonst nichts außer Kirche in dem kleinen Dorf, aus dem ich komme“. Und ja, vielleicht sei auch ein bisschen was von „euch zeig ich es…“ dabei gewesen. Denn in den 60er/70er Jahren als Frau Pastorin zu werden sei nicht selbstverständlich gewesen.
Ich hake nach: Wie waren die ersten Erfahrungen als Frau im Pfarramt?
Schmunzeln. „Na ja, ich habe im Kirchenkreis Lüchow angefangen, Zonenrandgebiet damals und nicht besonders beliebt. Da waren Frauen in Pfarrämtern relativ normal.“ Den Rest darf man sich gern denken.
2. Frage: Welcher Gegenstand, Spruch oder welches Lied ist für Ihren persönlichen Glauben wichtig (geworden)?
„Fürchte Dich nicht und lass dir nicht grauen, denn der Herr, dein Gott ist mit dir.“ ( Josua 1, Vers 9). Das kommt ziemlich spontan.
Und vielleicht auch ein Bild?
Sie überlegt sehr lange. „Ich bin so sehr in Texten und Strukturen unterwegs…“ . Aber dann doch: „Die Kreuzstichmustertücher“ – für mich ein Zungenbrecherwort - die seien für sie so etwas wie gestickte Frömmigkeit, sehr meditativ. Und sie seien ja auch eine Folge der Reformation. Mit der Auflösung der Klöster und fehlender Auftraggeber sei die Stickerei raus aus den Klostermauern und mitten hinein in den Alltag der Pfarrhäuser gelangt. Ein solches Mustertuch versammelt alle Buchstaben und Zahlen, ebenso wie eine Auswahl verschiedener biblischer Motive und erfüllte seinerzeit ganz nebenbei auch einen kleinen Bildungsauftrag. Keine Frage, dass ein selbst gesticktes Mustertuch über Doris Schmidtkes Schreibtisch hängt. Man merkt ihr sofort an, dass sie über die Geschichte dieser Stickerei eine Menge zu erzählen weiß. „Vielleicht, wenn ich im Ruhestand bin…“, sinniert sie.
3. Frage: Wo ist Ihre geistliche Heimat? Wieder eine schnelle Antwort: „Da, wo ich mit anderen zusammen Gottesdienst feiern kann!“ Das sei ihr ganz wichtig. Am liebsten seien ihr immer neu zusammengesetzte Gruppen, mit denen man den Gottesdienst entwickelt und durchführt. Der „Wandernde Gottesdienst“ ist so ein Format nach ihrem Geschmack: Zu einem bestimmten Thema entwickelten sie und Frieder Marahrens von der EEB einen Gottesdienst, der mit unterschiedlichen Teams an verschiedenen Orten im Kirchenkreisverbund durchgeführt werden kann. Kein Zufall, dass Doris Schmidtke zum Reformationsjahr das Thema „Frauen in der Reformation“ gewählt hat. Ich bekomme den Flyer in die Hand Flyer gedrückt und verstehe, warum diese Gottesdienste „ihr Ding“ sind -flexibel, mit wechselnden Partnern und Orten und offen für Anpassungen je nach Ort..
4. Frage: Gibt es einen besonderen geistlichen Ort für Sie?
Doris Schmidtke holt einen orangefarbenen, zu einem Bogen geformten Ziegelstein aus ihrem Regal.“ Kloster Jerichow“ steht darauf. Der Ort mit dem biblischen Namen liegt an der Elbe, gegenüber von Tangermünde. In den 80er Jahren sei sie das erste Mal dort gewesen. Der schlichte Kirchenraum habe sie tief beeindruckt. Kloster Jerichow ist eine der wenigen noch vollständig erhaltenen romanischen Klosteranlagen und zählt seit 1994 zur „Straße der Romanik“ in Sachsen-Anhalt. In Osnabrück sei die Katharinenkirche für sie ein solcher Ort.
5. Frage: Welche diakonischen Themen liegen Ihnen am Herzen?
„Ich kann es nicht gut aushalten, wenn Menschen ohnmächtig sind, fremdbestimmt“, sagt Doris Schmidtke. „Ich möchte ihnen zu ihren Rechten verhelfen, sie sollen aufrecht gehen können“. Die von ihr als Superintendentin initiierte Diakoniestiftung im Kirchenkreis Georgsmarienhütte hat sich konsequent die Themen Schuldnerberatung und Altersarmut vorgenommen. Sie war es auch, die in ihrem Kirchenkreis den ersten Fundraiser eingestellt hat. Jetzt als Diakoniepastorin richtet Schmidtke ihren Blick auf die Mitarbeitenden. Ihr Wunsch ist es, ihnen religiöse Angebote zu machen, das evangelische Profil zu stärken. Wie kann das konkret aussehen? „Zum Beispiel in Workshops, in denen sich Mitarbeiter über ihren Glauben austauschen. Innerhalb der Arbeitszeit!“ Das könnte der Knackpunkt werden, denn das kostet Geld. Andererseits sei es wichtig, auskunftsfähig über den eigenen Glauben zu sein, um sich auch anderen Religionen öffnen zu können.
6. Frage: Was würden Sie heute an eine Thesentür nageln? Da muss Doris Schmidtke nicht lange nachdenken. „Frauen, übernehmt Verantwortung und Macht!“ Es ist ihre These. Und es ist ihr Leben.
Den Gottesdienst an Pfingstsonntag in der Gemeinde ihres Mannes in Hilter übernimmt Landessuperintendentin Dr. Birgit Klostermeier. Schmidtkes Mann wird sich freuen, dass er sich auf Abkündigungen und die Einladung aller Gottesdienstbesucher zum Kirchenkaffee beschränken kann. Den Erdbeerkuchen dafür hat Doris Schmidtke schon bestellt. Jetzt muss nur noch die Sonne scheinen.