Sprengel-Diakon*innenseminar in Lemförde

Nachricht Lemförde, 08. Februar 2017

Diakoninnen und Diakone verfassen Geschichten aus ihrem Alltag

Vom 18. bis zum 20. Januar 2018 haben sich die Diakoninnen und Diakone des Sprengels Osnabrück mit Landessuperintendentin Dr. Birgit Klostermeier im Diakonissen-Mutterhaus Altvandsburg in Lemförde getroffen, um sich über ihre Arbeit auszutauschen. In einer Schreibwerkstatt fassten sie ihre Erfahrungen in Worte. Dabei entstanden viele schöne Geschichten, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen. Den Anfang macht die Erzählung von Claudia Ulrich aus Melle:

 

Gott, der gute Hirte

Frau R. läuft über den Flur. Suchender Blick. Ihr weißer Kleiderschutz vom Mittagessen hängt noch vor ihrem Bauch. Der Flur ist lang. Und leer.

In einer Ecke neben der Wohnküche sitzen drei Damen und dösen.

Alle anderen sind in ihren Zimmern. Es ist still. Mittagspause im Altenheim.

Frau R. sucht. Läuft wie verloren über den Gang. Sie weiß nicht mehr wo sie hingehört.

Ihre Erinnerungen hat sie verloren. Sie lebt in ihrer eigenen Welt.

Vor meiner offenen Bürotür bleibt sie stehen. Ich sitze am Schreibtisch.

Wir schauen uns an. Sie spricht russisch – wie früher. Die Worte verstehe ich nicht, aber sie klingen wie eine Frage, wie eine Bitte. Ich sage: „Olga!“ Sie lächelt. Erkannt werden ist schön.

Ich stehe auf und wir gehen gemeinsam den Flur zurück. Meine Hand liegt auf ihrer Schulter. Vertrautheit. Ich erzähle ihr aus ihrem Leben - bin für einen kleinen Moment das Gedächtnis, das sie verloren hat.

Sie setzt sich auf das kleine Sofa neben der Küchentür. Ich nehme neben ihr Platz. Unsere Schultern berühren sich. Nähe. Was sie jetzt wohl denkt? Ich würde ihr gerne sagen: „Olga, Gott ist dein guter Hirte. Der passt auf dich auf und kennt dich.“ Aber Olga wird meine Worte nicht verstehen. Darum lege ich meinen Arm um ihre Schulter und hoffe, sie spürt Geborgenheit. Geborgenheit, die Gott ihr schickt. Gott, der gute Hirte.

Claudia Ulrich