Um Zukunft geht es derzeit viel in kirchlichen Debatten, und auch die Bibel steckt voller Geschichten von Aufbrüchen.
Die Dreifaltigkeitsgemeinde in Neubruchhausen feierte jetzt das Jubiläum eines solchen Aufbruches. Die 1972 neu erbaute Kirche ersetzte eine alte Fachwerkkapelle aus dem frühen 17. Jahrhundert. Eine Sanierung erwies sich seinerzeit als nicht praktikabel. Entsprechend groß waren Enttäuschung und Distanz gegenüber dem Neubau. Der ist jetzt ein halbes Jahrhundert alt.
Über Bilder von Kirche, offene Räume und das Aushalten von Spannungen sprach Regionalbischof Friedrich Selter in seiner Predigt.
„Die Geschichte kennen die meisten von Ihnen besser als ich“, so der Regionalbischof. Mit dem Abriss der alten Kapelle seien Gefühle der Trauer und Empörung für viele verbunden gewesen, vielleicht noch bis heute. Weil Menschen über 350 Jahre, etwa 12 Generationen lang mit der Kapelle Erinnerungen und Emotionen verbunden haben. „Weil dort gebetet und gesungen worden war, Kinder getauft, Jugendliche konfirmiert, Ehen geschlossen und Trauerfeiern begangen worden waren“.
Da habe es der heutige moderne Kirchenbau der 70er Jahre des Architekten Schulze-Herringen nicht leicht gehabt, erinnerte der Regionalbischof an spöttische Zeilen, mit denen der Neubau seinerzeit beschrieben wurde. Dissens gab es vor allem um den als Stilbruch empfundenen Einbau der aus der alten Kapelle übernommenen Elemente: Schnitzaltar und Kanzel. „Vor der dem Eingang gegenüberliegenden Wand ist der alte Schnitzaltar aufgestellt, dessen Gestalten mich grüßten, als ob sie Heimweh hätten nach ihrer alten Behausung. Überhaupt ist es meines Erachtens eine Stilwidrigkeit, die alten Stücke der abgebrochenen Kapelle in diesen hochmodernen Bau zu stellen“, so die damals formulierten Vorbehalte. Friedrich Selter greift sie auf. „Diese Empfindungen sagen etwas aus über das damalige Bild von Kirche, die als Raum mit sakraler Ausstrahlung und ausschließlich für Gottesdienst und Andachten gebaut und gedacht wurde. So ein Raum ist die Dreifaltigkeitskirche nicht“, betont er. „Sie gibt in ihrer Schlichtheit wenig vor und lässt dadurch viel Raum für sehr verschiedene Erfahrungen. Sie ist offen für unterschiedliche Nutzungen und die Weite der Gedanken. Sie ist in ihrer Architektur radikal geerdet und verweist zugleich, indem hier Gottesdienste gefeiert werden, weit über sich und unsere Welt hinaus.“
Gerade die alten Prinzipalstücke an diesem Ort empfinde er als gelungen, geradezu wegweisend, so der Regionalbischof. „Heute sind wir es viel stärker gewohnt, Gegensätzlichkeiten zusammenzudenken, wir empfinden den spannungsreichen Kontrast unterschiedlicher Genres als anregend. Der Raum wird gerade mit diesen stilistischen Spannungen anschlussfähig an unsere Zeit und Lebenswirklichkeit, die doch von so vielen Gegensätzen geprägt ist. Darüber hinaus ist die Überführung der alten Prinzipalstücke eine charmante Verbeugung vor der Geschichte der alten Kapelle und der biographischen Verbindungen vieler Menschen zu diesem Altar und dieser Kanzel."
(Fotos: Ralf Wosch /
Text: Brigitte Neuhaus, Öffentlichkeitsarbeit Sprengel Osnabrück)