Ehrenamtliche machen sich fit für Gottesdienste in Senioren- und Pflegeheimen
„Der Austausch ist das Beste. Er zeigt, wie groß Gottes Garten ist – wie herrlich!“ -
Der demografische Wandel berührt nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche. Die wachsende Zahl alter Menschen in Pflegeheimen ist eine sehr sichtbare Folge. Die parallel rückläufige Zahl von Pastorinnen und Pastoren führt in Alten- und Seniorenheimen zu einem Engpass. Dabei ist die Nachfrage nach Andachten, die oftmals als Highlight der Woche gelten, groß. Es braucht andere Lösungen.
Pastorin Ursula Schmidt-Lensch hat auf die Lage reagiert. Im Sprengel Osnabrück ist sie zuständig für die Arbeit mit Lektor*innen und Prädikant*innen, also mit Ehrenamtlichen im Verkündigungsdienst. Diese engagierten Gemeindemitglieder sind als Lektor oder Prädikantin gezielt ausgebildet, beauftragt und unter Handauflegung und Segen eingeführt worden, um in Gemeinden Gottesdienste zu feiern. Jetzt hat Ursula Schmidt-Lensch für diese Gruppe gemeinsam mit ihrer Kollegin Dr. Vera Pabst von der Landeskirche und Albert Gerling Jacobi aus dem Kirchenkreis Syke-Hoya eine passende Fortbildung konzipiert, um sie auf Andachten in Alten- und Pflegeheimen vorzubereiten. Knapp 20 Ehrenamtliche haben sich dazu an zwei Wochenenden im idyllisch gelegenen Stift Börstel im Landkreis Osnabrück getroffen. Für die Fortbildung gibt es nur Lob: „Die Begleitung und Betreuung ist top, die Referenten sind klasse“, fasst ein Teilnehmer zusammen.
„Die Situation in einem Pflege- oder Seniorenheim ist grundsätzlich anders als in der Kirche“, erläutert Ursula Schmidt Lensch. „Das betrifft nicht nur die Raumsituation und mögliche Störungen, sondern auch die Zielgruppe. Wir versuchen die Kursteilnehmer*innen gut darauf einzustimmen“.
„In einem Pflegeheim sind wir zu Gast. Wir kommen zu den Leuten, es gelten ihre Hausrechte und das erfordert eine andere Haltung von uns“, betont Susanne Genth aus Weyhe (KK Syke-Hoya). Die Krankenschwester arbeitet in der ambulanten Pflege und weiß, wovon sie spricht. „Ich sehe so viel Einsamkeit, wenn ich zu den Leuten nach Hause komme. Und das ist auch mein Motiv, wenn ich in Kürze in den Ruhestand gehe: ich möchte den alten Menschen Gottes Liebe und Freundlichkeit bringen. Wenn man zum Glauben findet und sich mit dem Lebensende auseinandersetzt, hilft das beim bewussten Loslassen. Und es bewahrt auch vor Verbitterung. Da möchte ich meine Expertise, gerade auch mit dem Krankheitsbild Demenz, einbringen. Ich werde mir im Ort weitere Verbündete suchen.“
Dass Pastor Albert Gerling-Jacobi dazu für interessierte Menschen eine Fortbildung anbieten wird, freut sie deshalb.
Christoph Wolke aus Bramsche ist Lektor in einer Kirchengemeinde, als Briefträger kurz vor dem Ruhestand und er hat Erfahrung im Altenheim. „Seit acht Jahren habe ich dort zwei Lesegruppen, die mir großen Spaß machen. Außerdem helfen sie mir bei der Erfahrung mit Demenzerkrankten.“ Ergeben hat sich die erste Lesegruppe durch ein Buch seines Vaters, in dem Schulaufsätze aus den 1950er Jahren rund um den Ort Berge gesammelt sind. „Mittlerweile habe ich eine kleine Bibliothek. Über die alten Aufsatzthemen ergeben sich für die Bewohnerinnen und Bewohner viele Anknüpfungspunkte.“ Mit der Ausbildung könne und wolle er auch den Pastor unterstützen, so Wolke. „Im Ruhestand brauche ich eine Aufgabe und die hab ich damit gefunden“. Was er von der Fortbildung mitnimmt: „An Andachten in Pflegeheimen muss ich anders herangehen, als an Gottesdienste in der Kirche. Einfache kurze Sätze; klarer roter Faden, ein Gedanke reicht“, sagt Wolke.
Den Pastor entlasten wollte auch Michael Möllenkamp aus Georgsmarienhütte (KK MGMH), als er sich für die Fortbildung angemeldet hat. „Das war dringend nötig, aber ohne Rüstzeug wollte ich da nicht ran“. Der ehemalige Kundenberater einer Bank kann gut mit Menschen. „Nach der Fortbildung hier kann ich sagen‚ ok, ich probier’s.“ In Georgsmarienhütte gebe es acht Senioren- und Pflegeheime die Andachten nachfragen – übrigens unabhängig von kirchlicher oder privater Trägerschaft. Die Andacht sei für viele Bewohner*innen das Highlight der Woche, werde dann berichtet. „Natürlich ist das Setting ein anderes“, weiß Michael Möllenkamp. „Mal gibt es einen extra Andachtsraum, mal nicht, oder der Raum ist zu klein geworden und man muss ausweichen in den Empfangs- oder Gemeinschaftsbereich. Da gibt es dann natürlich Fluktuation und Unruhe. Das sind Dinge, die muss ich vorher abklären. Den Rest lasse ich auf mich zukommen“. Die Fortbildung sensibilisiere für kleine und große Details. „Zum Beispiel die Hinweise des Kantors, dass wir bei alten Menschen mit der Stimmlage runter müssen, langsamer singen, einfache Lieder und immer ganz präsent sein.“
Dirk Klein-Zambo ist Lektor in Osnabrück, hat früher in der Altenpflege gearbeitet und sich vieles angelesen. „Ich wollte aber sicherer werden und mein Wissen hier vertiefen“. Fasziniert hat ihn das mit der Musik. „Wie wichtig es ist, die Musik und Stimmlage vorher mit Organist*in bzw. der Klavierbegleitung abzusprechen, das war mir vorher nicht klar.“
Brigitte Stratmann-Grandke aus Badbergen (KK Bramsche) betreut als Hauswirtschafterin und Altenpflegerin eine Wohngruppe, deren Bewohner*innen zwischen 21 und 66 Jahren alt sind und unterschiedliche Einschränkungen haben. Sie kennt also das Setting in Pflegeeinrichtungen und auch dies: „Aktive Gemeindemitglieder kommen in ein Altenheim und plötzlich ist der Bezug zur Kirchengemeinde weg, der Austausch fehlt. Das ist nicht gut und ich merke, das ist der Bereich, zu dem es mich hinzieht“, sagt die Frau, die sich auch in die Hospizarbeit einbringt. Unterbrechungen oder Störungen bei Andachten in Pflegeheimen sieht sie nicht als Problem. „Das kann ich irgendwie. Ich verliere nicht die Ruhe und behalte den Faden“.
Der Austausch untereinander sei wertvoll. Zu wissen, dass man Teil eines Netzwerkes sei, das tue gut, betont Christopher Lalottis, Kirchenvorsteher und Lektor aus Osnabrück. Vor dem Ruhestand war er bei der Arbeitsagentur tätig und hat Altenheime "eher gemieden", erzählt er. Das hat sich geändert, seit seine Schwiegermutter im Heim ist. "Hier lerne ich jetzt zum Beispiel, mich in der Andacht auf einen Aspekt zu begrenzen."
Gemeinschaft und Austausch, neue Menschen kennenzulernen und kostbare Rückmeldungen zu erhalten, das sind Punkte, die alle als großen Gewinn der Fortbildung bezeichnen. Es sei wichtig, dass sich in der Landeskirche Menschen hauptamtlich mit Wissen und Erfahrung um die Lektoren und Prädikantinnen kümmern. „Das ist Voraussetzung dafür, dass wir gut in einem Netzwerk zusammenarbeiten können. Und der Austausch ist ja mit das Beste“, fasst es Michael Möllenkamp zusammen.
(Öffentlichkeitsarbeit im Sprengel, Brigitte Neuhaus)