Viel Platz zwischen „weiblich“ und „männlich“
Impulsreferate und Diskussion zu Herausforderungen des Themas „Vielfalt der Geschlechter“
Die Vielfalt der Geschlechter, damit verbundene praktische Herausforderungen und theologische Einsichten zu diesem Thema waren die Schwerpunkte einer hybriden Präsenzveranstaltung unter dem Titel „Nicht mehr Mann noch Frau… ?“, zu der die Frauen- und Männerarbeit im Sprengel Osnabrück, die Evangelische Studierendengemeinde Osnabrück, das Berufsschulpfarramt und die Evangelische Erwachsenenbildung Osnabrück eingeladen hatten. Während 15 Gäste vor Ort in der Berufsbildenden Schule am Pottgraben (BBS) Platz fanden, nahmen knapp 50 Interessierte online teil und waren per Videokonferenz in den Vortragsraum geschaltet. Eine Premiere für dieses Veranstaltungsformat, berichteten die Organisator*innen.
Akzeptanz voranbringen
„Wir finden es wichtig, in Kirche und Gesellschaft die Akzeptanz der Vielfalt der Geschlechter voranzubringen“, sagte Rita Steinbreder, Referentin im Frauenwerk für den Sprengel Osnabrück, zum Einstieg in das Thema des Abends. Eine theologische Sicht auf die Fragen der Geschlechteridentität in der Bibel stellte Dr. Uwe-Karsten Pliesch in einem Impulsreferat vor. Pliesch ist Referent für Theologie, Hochschul- und Genderpolitik im Verband der Evangelischen Studierendengemeinden in Deutschland. Er verwies auf die Entstehungsgeschichte der Bibel, die in einem Zeitraum von 500 bis 1000 Jahren geschrieben wurde und deswegen keine in sich geschlossene Erzählung sein könne. Außerdem würden Geschichten aus unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt, z.B. bei der Schöpfung oder auch in den vier verschiedenen Evangelien. „Auch das Menschenbild in der Bibel ist eher offen festgelegt. Das zeigt vor allem der Blick in die ursprünglichen Bibeltexte, zwischen den Begriffen ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ ist viel Platz gelassen“, erklärte Pliesch, der Mitautor der Handreichung „Die Ehe für alle“ ist.
Vielfalt darstellen und fördern
Die Zweigeschlechtlichkeit sei als Norm durch die Gesellschaft konstruiert, betonte Kristina Lunk, Referentin für LSBTI* im niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung. In der Biologie sei ein breites Spektrum zwischen männlich und weiblich vorhanden, auch die Intergeschlechtlichkeit gehöre dazu. „Das binäre System entspricht nicht mehr der Realität“, sagte Lunk. Die weit verbreiteten Assoziationen zu Geschlechterrollen seien gesellschaftliche Arrangements, die über lange Zeiträume entwickelt worden bzw. entstanden seien. Umso wichtiger sei es nun, Vielfalt darzustellen und zu fördern. „Und auch zu intervenieren, wenn stereotypische Muster im Mittelpunkt stehen“, so Lunk. Dazu gehöre auch eine gendergerechte Sprache, denn diese sei „ein mächtiger Faktor in der Chancengleichheit.“ Eine offenere Kommunikation habe eine realitätsabbildende Funktion, sodass nicht binäre Menschen sich akzeptierter fühlen könnten.
Für Offenheit warb auch Kimm-Stefan Herlyn, Diakon und Jugendwart im Evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Osnabrück, der aus seiner praktischen Arbeit mit Jugendlichen berichtete. „Sie müssen erfahren, dass sie angenommen sind, dann können sie offen über ihre Geschlechteridentität sprechen. Wenn wir ihnen Raum geben, dass sie sich öffnen können“, so Herlyn.
Sowohl um die gendergerechte Sprache als auch um die Aufgaben in der praktischen Arbeit in der Kirche drehte sich die anschließende Podiumsdiskussion, die auch die Fragen der Gäste vor Ort und aus dem Chat der Videokonferenz aufnahm. Mit Unterstützung der Chat-Betreuerin Cornelia Renders moderierten Rita Steinbreder, Gudio Schwegmann-Beisel und Helga Kramer die Runde. Organisiert hatten die Veranstaltung Gudio Schwegmann-Beisel (Männerarbeit im Sprengel Osnabrück), Rita Steinbreder (Frauenarbeit im Sprengel Osnabrück), Hartmut Marks-von der Born (Berufsschulpfarramt der BBS), Helga Kramer (Evangelische Studierendengemeinde Osnabrück) und Christian Bode (Evangelische Erwachsenenbildung Osnabrück).
* LSBTI – lesbische Frauen, schwule Männer, Bisexuelle, trans* und intergeschlechtliche Menschen
(Foto und Text: Maren Bergmann, Öffentlichkeitsarbeit Kirchenkreis Osnabrück)