Matthias Wille wird in den Ruhestand verabschiedet
Zu seinem Abschied sagte Regionalbischof Friedrich Selter: "Mit Ihnen geht ein hoch erfahrener Seelsorger in den Ruhestand und ich blicke mit großem Respekt auf das, was Sie in Ihrer langen Berufsbiographie geleistet haben. Intensive Jahrzehnte in der Gemeinde, der Aufbau und die Leitung derTelefonseelsorge und eben auch mit einem weiteren Stellenanteil Ihre segensreiche Wirkung als Pastoralpsychologe, der Pastorinnen und Pastoren in besonders schwierigen Situationen in ihrem Dienst stärkt. Für mich ist ganz klar: Ihr Beruf war sehr erfüllend. Das möge nicht minder, aber eben auf andere Weise auch der Ruhestand für Sie sein.“
„Es geht um Lernen und Wachsen“ - so beschreibt Pastor Matthias Wille seine Arbeit in der Telefonseelsorge in Osnabrück und dem Pastoralpsychologischen Dienst im Sprengel Osnabrück. Zuvor war er über zwanzig Jahre als Gemeindepastor tätig und hat parallel eine mehrjährige Weiterbildung zum Supervisor absolviert. Am 16. Juli wurde Matthias Wille in einem Gottesdienst in St. Katharinen in den Ruhestand verabschiedet. Ein Gespräch mit Rückblicken und Vorfreude.
Die Leitung der Telefonseelsorge und die Begleitung von Mitarbeitenden in der Kirche - das war vor allem im vergangenen Jahr eine besondere Herausforderung. Was verbindet die beiden Aufgabenfelder?
„Es ist eine tolle Stelle, denn die beiden Aufgabenfelder ergänzen sich wunderbar. In beiden Bereichen spielen Gruppen eine große Rolle. Es geht um persönliches Lernen und Wachsen in einer Gruppe. Genau das miterleben und begleiten zu dürfen betrachte ich als Geschenk“, betont Matthias Wille. In der Telefonseelsorge leitet er mit einem Team die Aus- und Fortbildung der Ehrenamtlichen und ihre regelmäßige Begleitung in festen Gruppensupervisionen. Der Pastoralpsychologische Dienst (PPD) bietet Hauptamtlichen im kirchlichen Dienst Beratung, Seelsorge und Supervision - einzeln und in Gruppen.
Sehr gute Rahmenbedingungen zu schaffen für die rund 75 Ehrenamtlichen ist Matthias Wille ein besonderes Anliegen in seiner Arbeit: „Die Telefonseelsorge arbeitet anonym, die Wertschätzung muss sich also in der Institution selbst entfalten, im guten Miteinander in den Gruppen. Deshalb sind mir die äußeren Rahmenbedingungen hier so wichtig, es soll eine Wohlfühlatmosphäre sein“. Neben einem hellen, freundlichen Gruppenraum mit bequemen Möbeln hat Matthias Wille auch dafür gesorgt, dass aus einem kleinen, verwilderten Gartenstück ein idyllischer, halbschattiger Sitzplatz entstanden ist. Drinnen wie draußen mag man gern Platz nehmen.
Im vergangenen Corona-Jahr richtete sich der Blick der Öffentlichkeit in besonderer Weise auf die Arbeit der Telefonseelsorge – spürbar auch in Anfragen nach Zahlen, Themen, Problemen. Matthias Wille bleibt nüchtern: „Corona wirkte auch bei uns wie ein Brennglas, es ist ein Verstärker von schwierigen Gefühlen, die schon vorher da waren – Depression, Angst, Einsamkeit. Es gab mehr Erstanrufer, die wir dank der großen Solidarität der Ehrenamtlichen sogar noch besser auffangen konnten.“ Dazu muss man wissen, dass es auch in „normalen“ Zeiten etwa 7-8 Anrufversuche braucht, um bei der Telefonseelsorge „durchzukommen“. In der zweiten Welle habe er auch bei den Ehrenamtlichen Erschöpfung gespürt, die teilweise selbst von den Auswirkungen der Pandemie betroffen gewesen seien. Seit 2020 lief auch die ChatSeelsorge an. „Parallel zu Corona, das war natürlich ein Zufall, aber ein guter“, sagt Matthias Wille. Für ihn ist die ChatSeelsorge die wichtigste Erneuerung und Erweiterung der letzten Jahre und er hat sie auch in Osnabrück mit aufgebaut. 2019 schloss der erste zusätzliche ChatSeelsorge-Ausbildungsgang ab. Mittlerweile läuft die Ausbildung für Chat – und Telefonseelsorge integriert. Die Zahl der Chats habe sich von 500 in 2019 auf über 1000 Chats in 2020 verdoppelt. „Im Chat haben wir tatsächlich dreimal so häufig mit dem Thema Suizid zu tun wie am Telefon. Und die Ratsuchenden sind jünger, sehr viele unter 30 Jahren“, weiß Matthias Wille.
Neue Anforderungen brachte Corona auch für die kirchlichen Hauptamtlichen mit sich, für die Wille im Pastoralpsychologischen Dienst Ansprechpartner ist. „Es gab einen nochmal verstärkten Erwartungsdruck aber auch Unsicherheiten und Ängste, aus denen heraus Spannungen entstehen können“. Das sei bei Menschen im kirchlichen Dienst nicht anders, als bei allen anderen.
Matthias Wille weiß, wovon er spricht. Als langjähriger Gemeindepastor hat er erlebt, wie bereichernd und herausfordernd zugleich der Dienst in der Gemeinde ist. Gern erinnert er sich an Aufbruchszeiten mit Kirchbau und KiTa, die Vertrautheit der Kerngemeinde und kontinuierliche Beziehungen. Gottesdienste waren immer beides für ihn: Lust am Feiern und intensive Vorbereitung.
Die Menschen, die er in den „Wohlfühlräumen“ begleitet hat und das Team, „ohne das ich verloren wäre“, werden Matthias Wille fehlen, wenn er am 16.7. von Angela Grimm, der Direktorin des Zentrums für Seelsorge und Beratung in Hildesheim in den Ruhestand verabschiedet wird. Trotzdem freut er sich jetzt erst einmal auf Abstand. Darauf, Herr über die eigene Zeit zu sein und diese für Familie, Enkel, Garten und Basteln einsetzen zu können.
(Text und Bild: Brigitte Neuhaus, Öffentlichkeitsarbeit Sprengel OS)