Wilfried Manneke war zwölf Jahre Auslandspfarrer der Evangelischen Kirche in Südafrika. 1995 kehrte er nach Deutschland zurück. Seitdem engagiert er sich gegen Rechtsextremismus.
Lieber Wilfried Manneke, das Motto der IKDR lautet: „Unser Kreuz hat keine Haken“. Das ist ja mal ein klarer, einprägsamer Slogan.
„Ja, ich bin froh, dass die Kirche so deutlich Stellung bezieht. Wir sind der Auffassung, dass christlicher Glaube und Rechtsextremismus unvereinbar sind. Nächstenliebe verlangt Klarheit. Sie verlangt, dass wir klar hinsehen, klar reden und klar handeln. Wir können uns nicht vornehm heraushalten, wenn wir rechtsextreme Meinungen hören. Wir müssen Stellung beziehen. Wenn Menschen angegriffen werden, Ausländer diffamiert oder verfolgt werden, dann müssen wir reagieren. Wir müssen helfend eingreifen.“
Können Sie bitte für alle, die noch nie davon gehört haben, kurz und knackig erzählen: Was ist das für ein Netzwerk?
„Gerne! An vielen Orten in Niedersachsen sind rechtsextreme Aktivitäten zu beobachten. Als Christ*innen können wir da nicht tatenlos zusehen. Aus diesem Grund haben wir 2010 in Bad Nenndorf die „Initiative Kirche für Demokratie - gegen Rechtsextremismus“ gegründet. Die IKDR ist ein offenes Netzwerk. Sie verbindet Einzelpersonen, Organisationen, Kirchengemeinden und -kreise sowie Initiativen aus Kirche und Gesellschaft. Die Initiative will zur Verbesserung der Auseinandersetzung mit rechtsextremen Einstellungen beitragen, denn wir haben aus der Geschichte gelernt. Besonders in der deutschen Vergangenheit haben wir schmerzhaft erfahren, dass auch Christ*innen verführbar sind. Auch sie können Träger von rassistischen und antisemitischen Ideologien werden.
Die IKDR wird geleitet von einem Sprecher*innenrat, zu dem 19 Personen gehören. Sie hat zwei Geschäftsführer – den Politologen Felix Paul, Referent für Friedensarbeit, und den Theologen Dr. Daniel Rudolphi, Referent für Weltanschauungsfragen. Beide gehören zum Haus Kirchlicher Dienste in Hannover.“
Was macht die IKDR ganz genau?
„Wir wollen mit unserer Arbeit rechtsextreme und menschenfeindliche Haltungen innerhalb und außerhalb unserer Kirche benennen und ihnen konstruktiv entgegentreten. Heute begegnen uns diese Herausforderungen auch oft in Form „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“. Das ist ein Sammelbegriff, der Elemente beinhaltet wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Homophobie, Abwertung von Obdachlosen, Abwertung von Behinderten, Islamfeindlichkeit, Sexismus, Etablierten-Vorrechte.
Wir unterstützen demokratische Beteiligung und Bildung für ein Leben in einer offenen Gesellschaft. Uns ist die Anerkennung der uneingeschränkten Würde eines jeden Menschen sehr wichtig. Deswegen unterstützen wir entsprechende Aktionen, stellen Material zur Information und Bildung bereit und betreiben Öffentlichkeitsarbeit. Bei Konflikten vor Ort berät die IKDR und vermittelt Kontakte. Dabei arbeitet sie zusammen mit kirchlichen Akteuren, zivilgesellschaftlichen Organisationen und öffentlichen Einrichtungen.“
Sie entwickeln u.a. Bildungsmaterial, Kampagnen, Tipps und Checklisten, um für das Thema Rassismus und Ausgrenzung zu sensibilisieren. In welchen Arbeitsbereichen unseres Kirchenkreises lässt sich dieses Material einsetzen?
„In allen. Die IKDR hat seit ihrer Gründung eine stattliche Anzahl an Materialien und Arbeitshilfen erarbeitet. Sie sind gut in der Präventionsarbeit in Schulen und in allen kirchlichen Bereichen einsetzbar, klären auf, informieren und helfen dabei, Kommunen und Kirchengemeinden im Umgang mit Rechtsextremen zu beraten.
Zurzeit überarbeiten und aktualisieren wir unsere Materialien. In Zukunft wollen wir sie nur noch in digitaler Form und kostenlos auf unserer Internetseite zur Verfügung stellen. Auf www.ikdr-niedersachsen.de wird dann alles unter dem Menüpunkt „Materialien“ zu finden sein.
Auch ein Blick in den Bereich „Hilfreiche Tipps“ lohnt sich. Dort finden Sie Antworten auf viele Fragen, die uns allen im Alltag begegnen. Zum Beispiel: Was kann ich tun, wenn mein Kind in eine rechtextreme Clique geraten ist? Wenn in unserem Kommunalparlament rechte Parteien sitzen? Wenn ich Zeuge eines rechtsextremen Angriffs werde? Wenn Nazis in meiner Stadt einen Aufmarsch angemeldet haben? Oder wenn Onkel Rolf am Kaffeetisch rassistische Witze erzählt?“
Welche Materialien finden Sie aktuell besonders hilfreich? Was könnte auch bei uns im Kirchenkreis für Projekte oder Gruppen sofort angewendet werden?
„Da fallen mir sofort diese drei Materialien ein:
„Ist doch alles Lüge“
eignet sich besonders gut für Konfirmand*innen, Jugendarbeit und Schulunterricht. Aber auch für Kirchenvorstände und andere Gremien. Wir haben dieses Arbeitsmaterial zum Umgang mit Verschwörungstheorien aus aktuellem Anlass in Kooperation mit dem Antikriegshaus Sievershausen herausgegeben. Und es steht auch schon zum Download auf unserer Homepage bereit. Die acht Unterrichtseinheiten befassen sich mit dem schwer fassbaren Konzept der Verschwörungstheorien und machen mit den Hintergründen und Narrativen verschiedener Gruppierungen vertraut. Zentral geht es darum, wie man Verschwörungstheorien erkennt und wie man ihnen begegnet.
„Wir müssen mal nach dem/n Rechten sehen!“
ist ein Leitfaden zum Thema Rechtsextremismus für die Arbeit in Kirchengemeinden. Diese Broschüre (52 Seiten) wird gerade überarbeitet. Noch ist sie in gedruckter Form erhältlich, kostenlos. Bestellung unter https://www.hkd-material.de. Auch sie wird in Kürze als Download zur Verfügung stehen.
„Gib dem Hass keine Chance - Neonazis enttarnen!“
ist eine Arbeitshilfe und Dokumentation für den kirchlichen und schulischen Unterricht zum Thema Rechtsextremismus. Sie enthält u.a. eine DVD mit multimedialen Materialien, Praxisimpulsen und gottesdienstlichen Elementen. Sie kann für Jugendliche ab zwölf Jahren im Konfirmand*innenunterricht, als Projekttag in Schulen oder in der Jugendarbeit eingesetzt werden. Es geht darum, woran man Neonazis erkennen kann. Nicht nur ihre Symbole, Marken, Kleidung, Musik und Strukturen werden erklärt, sondern auch ihre politischen Überzeugungen, Argumentationen und Parolen. Diese Broschüre kann als PDF-Datei bestellt werden unter ikdr@evlka.de.“
Miriam Unger