Von anderen lernen. Kulturelles Wissen als Ressource für die Friedensarbeit
Die internationale Tagung „Der Frieden der Zukunft“ am 5. und 6. Oktober an der Universität Osnabrück startete mit einer Podiumsdiskussion zum Thema: „Frieden neu denken…in Afrika und in Europa“
Was lässt sich aus anderen Teilen der Erde für die Friedensarbeit lernen? Darum drehte sich die Podiumsdiskussion in der Schlossaula der Universität Osnabrück am Donnerstagabend. Marie-Noëlle Koyara, frühere Verteidigungsministerin der Zentral Afrikanischen Republik (ZAR) und Präsidentin des Nationalrates „Aktive Gewaltfreiheit“ berichtete von ihren Erfahrungen. Sie begann allerdings mit dem Glückwunsch zur friedlichen Revolution in Deutschland 1989. Leider sei das Ende des kalten Krieges in Europa zum Beginn des heißen Krieges in Afrika geworden, wo die Konflikte seit dreißig Jahren nicht enden, so Koyara. Immer gehe es um Ressourcen, mit klassischen Konzepten komme man nicht weiter. Angesichts der Globalisierung von Kriminalität und Kriegführung sei es höchste Zeit, die Strategien für Friedensprozesse zu überdenken. „Wir müssen die Waffen zum Schweigen bringen“, lautete Koyaras eindringlicher Appell. Insofern sei eine engere Zusammenarbeit mit der „Initiative Sicherheit neu denken in Europa“ wünschenswert. Man dürfe Afrika nicht wieder vergessen.
Als Präsidentin des Nationalrates „Aktive Gewaltfreiheit“ setze sie auf die Botschaften und Stimmen der Religionen. Sie agiere als Christin und als Frau, antwortete Marie-Noëlle Koyara auf die Publikumsfrage, wie man von einer Verteidigungsministerin zu einer Friedensaktivistin werde. Die Konfliktparteien betrachte sie als „Kinder“, die gehört und ernst genommen werden wollen. Interessenausgleich statt Sieg oder Niederlage, so Koyara.
Ralf Becker von „Sicherheit neu denken in Europa“ legte in seinem Vortrag das Scheitern der militärischen Sicherheitslogik im Krieg gegen die Ukraine dar – das gelte nicht nur für Russland sondern auch für den Westen und die Nato. Die deutlich größere weltweite Herausforderung sei indes die Klimakrise. Diese verlange ein anderes Miteinander das Augenhöhe voraussetze. Dazu müsse auch der Westen Schuld – insbesondere in der Klima- und Kolonialfrage - anerkennen. Das bedeute auch hinzusehen, was die eigenen Anteile am Ausbruch des Krieges Russlands gegen die Ukraine angehe.
Regionalbischof Friedrich Selter bedankte sich bei Marie-Noëlle Koyara – insbesondere auch für den Blick auf 1989. Ihr Glückwunsch habe das eigentliche „Wunder“ dieser friedlichen Revolution nochmal ins Bewusstsein gebracht. Nach den Gräueltaten, die in kriegerischen Auseinanderseitzungen verübt werden, zu Friedensverhandlungen zu kommen, halte er für besonders schwierig. In dem Zusammenhang appellierte der leitende Geistliche des Sprengels Osnabrück daran, kulturelles Wissen stärker als bislang als Ressource für Friedensarbeit zu achten und wertzuschätzen. In dieser Hinsicht sei von den Erfahrungen, die Frau Koyara aus der Zentralafrikanischen Republik berichtet habe, viel zu lernen.
Auch Theo Paul, langjähriger Generalvikar des Bistums unterstützte die vorgetragenen Ansätze. Es gebe eine Arroganz des Westens, die die Achtung etwa vor den Leistungen Gorbatschows vernachlässigt habe. Man dürfe sich der militärischen Logik nicht ausliefern. Insofern sei er dem Papst dankbar, dass dieser sich nicht in die militärische Logik hineinziehen lasse.
Der Abend wurde moderiert von Dr. Regina Wildgruber (Bistum Osnabrück) und Pastor Matthias Binder (Friedensort FO:OS im Kirchenkreis Osnabrück).
Hintergrund: Der Nationalrat „Aktive Gewaltfreiheit“ ist eine interreligiöse Plattform der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) mit hochrangigen Religionsvertretern, die dem seit 2012 andauernden Bürgerkrieg und dem Zerfall des Landes entgegenwirken will. Dazu besuchen die Mitglieder (sog. Interventionsteams) gezielt Orte, die besonders von Gewalt betroffen sind und suchen das Gespräch mit den Konfliktparteien. Ihr persönliches Risiko dabei ist hoch. Das Engagement der interreligiösen Plattform hat zumindest weitere Eskalationen im Konflikt verhindert. Die Interventionsteams werden an der University of Peace in Africa ausgebildet. 2015 war der Nationalrat „Aktive Gewaltfreiheit“ Preisträger des Aachener Friedenspreises.
Organisiert wurde die Tagung vom Bistum Osnabrück, der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, vertreten durch den Friedensort Osnabrück FO:OS, der Universität Osnabrück und dem Netzwerk „Sicherheit neu denken“. Eingeladen wurden unter anderem Referentinnen und Referenten aus der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) und Costa Rica. Die Tagung fand im Rahmen des Jubiläums 375 Jahre Westfälischer Friede statt.
Beim Tagungsteil am Freitag, 6. Oktober, standen die Themen „Frieden durch Ausgleich – von der Gründung der Nationalstaaten zur Weltinnenpolitik“, „Frieden lernen und leben“ und „Religionen als Friedensstifterinnen“ an. Unter anderem wirkten mit: Prof. Dr. Götz Neuneck vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg, Prof. Dr. Siegrid Westphal und Prof. Dr. Thomas Nauerth von der Universität Osnabrück, Imam Abdoulaye Ouasselegue, Präsident des Nationalen Islamischen Rates der ZAR und Pastor Clotaire Siribi, Interimspräsident der Evangelischen Allianz der ZAR.