Regionalbischof Friedrich Selter hatte für seine Neujahrespredigt im Dom zu Osnabrück eine Misbaha, eine Gebetskette aus dem Islam, mitgebracht - das Geschenk einer jungen Iranerin, die er vor ein paar Jahren getauft hatte, erzählte er. „Die Tradition der besonderen Gebetsketten, ob sie nun „Rosenkranz“, „Misbaha“ oder „Perlen des Glaubens“ heißen, ist nichts anderes als eine Hilfe zu einer persönlichen Spiritualität. Vielen Menschen sind heute Formen der religiösen Praxis im Alltag verloren gegangen oder sie haben sie nie kennengelernt. Wo diese Formen wiederentdeckt werden, stärken sie eine vertrauensvolle Beziehung zu Gott und können zu einem festen Halt im Leben beitragen.“ Als Christ freue er sich über diese Misbaha, die ihn immer wieder an das Gebet erinnere, das Verbindende der drei abrahamitischen Religionen. Auch die Geschichte der Hagar, aus der die Jahreslosung 2023 entnommen sei, werde im Ersten (Alten) Testament, im Neuen Testament und im Koran erzählt, wenngleich jeweils etwas anders, erläuterte der Regionalbischof.
„Die Jahreslosung für das neue Jahr ist ein Wort der Ermutigung und des Trostes. Sie lautet: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ (Gen./1 Mos 16,13). Ermutigte und getröstete Menschen lassen auf eine bessere Welt hoffen“, betonte Regionalbischof Friedrich Selter, der in seiner Predigt die Geschichte der Magd Hagar auslegte. Ihre Flucht in die Wüste wird für sie zu einem Ort der Begegnung mit Gott. Als sie zurückkehrt in unzumutbare Verhältnisse, denen sie entkommen wollte, hat sie einen Namen für diesen Gott. Hagar nennt ihn so, wie sie ihn erfahren hat: „Gott, der mich sieht. Er leitet und begleitet mich.“ „Dieses Vertrauen zu Gott will das Bekenntnis der Hagar auch in uns wecken. Darum ist es uns überliefert. Und darum soll dieser Satz uns als Jahreslosung durch die nächsten zwölf Monate begleiten“, so der Leitende Geistliche des Sprengels Osnabrück. „`Du bist ein Gott, der mich sieht` ist Ausdruck des Kerns unseres Glaubens: Wir können eine persönliche Beziehung zu Gott haben, sein Blick ist liebevoll und barmherzig.“ Und gleichzeitig sei da auch die Anfechtung: Wie könne Gott Krieg und Gewalt, Unrecht und Grausamkeiten in der Welt zulassen, wenn er doch die Menschen liebe? Warum schaffe Gott nicht endlich den Frieden auf Erden, von dem die Engel noch in der Heiligen Nacht gesungen haben? „Diesen Widerspruch kann ich nicht auflösen. Er bleibt eine Anfechtung und als solcher Teil meines Glaubens“, bekennt der Theologe.
Im neuen Jahr freue er sich sehr auf das Jubiläum, das in Osnabrück mit dem Gedenken an den Westfälischen Frieden vor 375 Jahren begangen werde. „Als ökumenisch verbundene Kirchen laden wir schon heute herzlich vom 16.-18. Juni zu einem Ökumenischen Kirchentag unter dem Motto „Wege des Friedens“ ein. Bischof Dr. Franz-Josef Bode hatte in seiner Einführung zum Gottesdienst daran erinnert, dass zum 350. Jubiläum des Westfälischen Friedens vor 25 Jahren in Osnabrück zum ersten Mal ein ökumenischer Kirchentag veranstaltet worden war, der als Vorbild diente für weitere, große Ökumenische Kirchentage.
Der Ökumenische Neujahrsgottesdienst wird seit über 20 Jahren gemeinsam von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Osnabrück (ACK-OS) veranstaltet und abwechselnd in St. Marien und dem Dom St. Petrus gefeiert. Als Gastprediger sind jeweils der Bischof des Bistums Osnabrück und die oder der Regionalbischof/Regionalbischöfin des Ev.-luth. Sprengels Osnabrück eingeladen.
(Text und Bild: Öffentlichkeitsarbeit im Sprengel Osnabrück, Brigitte Neuhaus)