Konfessionen erzählen: Vom Verbindenden und vom Trennenden
Was haben eine evangelische Bischöfin, ein katholischer Bischof, der Oberbürgermeister der Stadt Osnabrück und der Osnabrücker Kreisrat gemeinsam? Sie alle haben Erfahrungen mit ihren jeweiligen Konfessionen gemacht – in ihrer Kindheit, als Erwachsene, als Geistliche oder als politische Amtsträger. Landessuperintendentin Birgit Klostermeier, Bischof Franz-Josef Bode, Oberbürgermeister Wolfgang Griesert und Kreisrat Winfried Wilkens haben am Mittwochabend im Osnabrücker Schloss von ihren Erfahrungen berichtet. Das Erzählcafé war der gelungene Auftakt der Gesamtreihe zum Reformationsjubiläum und das erste seiner Art – viele weitere sollen in den kommenden zwölf Monaten in der Region Osnabrück folgen. Als Trägergemeinschaft haben sich der Ev.-luth. Kirchenkreis Osnabrück, das Bistum, die Universität, Stadt und Landkreis Osnabrück sowie der Landschaftsverband Osnabrücker Land zusammengeschlossen.
Nach der Begrüßung durch Landessuperintendentin Dr. Birgit Klostermeier als Sprecherin der Trägergemeinschaft erinnerte der Geistliche Vizepräsident des Landeskirchenamtes, Arend de Vries, in seinem Grußwort zu Beginn der Veranstaltung an die schwerwiegenden Auseinandersetzungen, die mit der Reformation einhergingen. Nach dem Westfälischen Frieden, der in Osnabrück geschlossen wurde, seien diese zwar nur noch auf theologischer Ebene geführt worden – dies aber bis in die jüngste Geschichte hinein.
Moderatorin Daniela Boltres eröffnete die Gesprächsrunde mit Landessuperintendentin Dr. Birgit Klostermeier und Bischof Franz-Josef Bode – und mit der Frage nach einem Gegenstand, der für die eigene konfessionelle Geschichte stehe. Bischof Bode brachte das Gesangbuch und ein Foto seines Hirtenstabes mit in die Runde; Regionalbischöfin Klostermeier das Deckblatt ihres ersten Religionsbuches aus der dritten Klasse. Im Gespräch entdeckten beide, wie unterschiedlich ihr Bild von Kirche ursprünglich geprägt wurde und wie es sich im Laufe der Jahre verändert hat. Auch in ihren Berufen gebe es viele Erlebnisse im Kontakt mit der jeweils anderen Konfession, so die beiden Geistlichen. Die evangelische Regionalbischöfin Birgit Klostermeier erinnerte sich an ihre erste Pfarrstelle in den Achtziger Jahren. Damals weigerte sich der katholische Pfarrer in der Gemeinde, gemeinsam mit einer Pastorin eine ökumenische Trauung durchzuführen. Bis heute trenne das Amtsverständnis die beiden Kirchen wie auch die Frage nach dem Abendmahl oder der Eucharistie. Bischof Franz-Josef Bode erlebte das Trennende zwischen den beiden Kirchen gerade erst bei einer Reise mit evangelischen und katholischen Bischöfen nach Israel. Die Gruppe verbrachte einen bewegenden Tag im Heiligen Land, berichtete Bode. Trotzdem gab es kein gemeinsames Abendmahl. Es sei für ihn wichtig gewesen, diese schmerzhafte Erfahrung, über die so häufig gesprochen werde, einmal selbst zu machen, erzählte Bode auf der Bühne der Schlossaula.
Einig waren sich Landessuperintendentin und Bischof darin, dass die Trennung der beiden Kirchen bis vor wenigen Jahrzehnten in vielen Familien für großes Leid und Probleme gesorgt habe – zum Beispiel bei der Eheschließung und der Erziehung der Kinder. Viele Menschen im Publikum erinnerten sich an ähnliche Situationen in ihren Familien und tauschten sich am Ende des Erzählcafés darüber aus.
Das Gleiche taten – nach einer weiteren Musik des Trios Continuum - Oberbürgermeister Wolfgang Griesert und Kreisrat Winfried Wilkens, nachdem die Moderatorin sie zum zweiten Teil des Erzählcafés eingeladen hatte. Es ging um die Erfahrungen mit den Konfessionen in ihren Familien – früher und heute. Wolfgang Griesert wurde katholisch getauft. Jeden Sonntag ging er mit seinem evangelischen Vater in die Kirche. Als er später seine evangelische Ehefrau heiratete, entschloss er sich, zu konvertieren – viele Entscheidungen in seinem Elternhaus seien aufgrund der unterschiedlichen Konfessionen von Mutter und Vater recht kompliziert gewesen, begründete Griesert seinen Entschluss. Deshalb habe er den Glauben seiner Ehefrau angenommen.
Winfried Wilkens, aufgewachsen im protestantischen Bremerhaven, berichtete von den Erfahrungen seiner katholischen Schwiegereltern. Der evangelisch getaufte Schwiegervater musste den katholischen Glauben seiner Ehefrau annehmen – nur so war die Ehe damals im katholisch geprägten Emsland möglich. Eine Generation später, als der Protestant Wilkens seine heutige, katholische Ehefrau kennen lernte, spielte die Konfession keine große Rolle mehr: das Ehepaar Wilkens heiratete problemlos ökumenisch. Noch immer, so berichteten Griesert und Wilkens, spiele der Glaube und die konfessionelle Prägung eine Rolle bei der Ausübung ihres Berufes. Toleranz und Verständnis auch für andere Religionen hätten im christlichen Glauben ihren Ursprung.
Die Erzählcafés werden im Jahr des Reformationsjubiläums im gesamten Sprengel und Bistum Osnabrück von engagierten Ehrenamtlichen fortgeführt – unter anderem von Rita und Wulf-Siegmar Mierke, die ihre Pläne am Abend im Osnabrücker Schloss vorstellten. Die Gesprächsrunden sollen Generationen-übergreifend sein. Dabei kann Erinnerung auch froh machen: Der Abend im Osnabrücker Schloss brachte das Publikum mit einigen Anekdoten rund um die seit 500 Jahren getrennten Kirchen mehrfach zum Lachen. Er hat gezeigt, dass in den vergangenen Jahrzehnten in der Ökumene viel in Bewegung gekommen ist. Viele Menschen haben das Bedürfnis, davon zu berichten – die Erzählcafés wollen ihnen dafür Raum geben. Nicht nur die Erzählcafés selbst, auch die Vorbereitungszeit trage dazu bei, sich mit der eigenen und den anderen Konfessionen auseinander zu setzen, sagte Moderatorin Daniela Boltres.
Sie fragte die Teilnehmer des Erzählcafés zum Ende des Abends danach, was für eine Kirche sie sich wünschten. „Die Kirche der Zukunft soll Sinn stiften, Halt geben und den Zusammenhalt in der Gesellschaft festigen“, sagte Osnabrücks Oberbürgermeister Wolfgang Griesert. Bischof Franz-Josef Bode wünschte sich, dass beide Konfessionen weiter voneinander lernen: die Katholiken sollten evangelischer werden, nämlich mehr am Evangelium orientiert; die Protestanten katholischer, nämlich – im Sinne des Wortes - mit mehr Sinn für die Einheit einer weltweiten Kirche. Für die evangelische Regionalbischöfin Birgit Klostermeier war klar, dass es eine Kirche von verschiedener Gestalt und Vielfalt sein muss, die sich jedoch verbunden weiß in der gemeinsamen Mahlgemeinschaft. Sie hoffte, dass der auch in dieser Runde beschriebene Schmerz des Trennenden motiviert, dieses Ziel im Blick zu behalten. Bevor das Wirklichkeit werde, gelte es, trotz unterschiedlicher Kirchen und Glaubensgemeinschaften das gemeinsame Miteinander fortzusetzen, so Winfried Wilkens, der Kreisrat des Landkreises Osnabrück.
Das Trio Continuum entließ das Publikum in der bis auf den letzten Platz besetzten Schlossaula mit einem Choral in die Nacht: gemeinsam mit den Teilnehmern des Erzählcafés sang das Publikum die Gospel-Version von „Verleih uns Frieden gnädiglich“ - aus der Feder von Martin Luther.