Ein Geschichtsmobil mit Weitblick – Reformationstruck erzählt von Erfahrungen von Menschen aus Osnabrück und ganz Europa
Genf, Graz, Wien und Prag, und jetzt: Osnabrück. Der Reformationstruck hat seinen ersten Standort in Deutschland erreicht. Anderthalb Tage lang wird er Geschichten sammeln aus Osnabrück und von Osnabrückern. Wie erleben Menschen ihre Konfession? Welche Impulse hat die Reformation freigesetzt? Und was bedeuten diese für unser Leben heute? Mit Antworten auf diese Fragen wird der Truck im Jahr des 500. Reformationsjubiläums weiter durch Europa reisen.
Das interaktive Geschichtenmobil ist blau, 16 Meter lang und mit einem großen gläsernen Pavillon ausgestattet. Es steht seit gestern Abend auf dem Platz zwischen dem Schloss und der OsnabrückHalle. Im Inneren können die Besucher an verschiedenen Bildschirmen Reformationsgeschichten erfahren, die seit dem 3. November unter anderem in Genf, Graz, Wien und Prag gesammelt wurden. Außerdem können sie ihre eigene Reformationsgeschichte erzählen. Eine Frau aus Osnabrück hat davon schon Gebrauch gemacht. Die gebürtige Rheinländerin berichtet, dass sie Luther in ihrer Jugend eher als groß und unangenehm laut empfunden hat – bis sich ihre Wahrnehmung durch die Begegnung mit ihrem jetzigen Ehemann, einem damaligen Theologie-Studenten, änderte: „Du brauchst nichts tun, aber Du kannst alles tun. Diese Gnade und Freiheit überzeugt mich und tut gut“, sagt die Frau in einem der ersten Filme, die in Osnabrück gedreht wurden.
Der Reformationstruck verbindet auf dem Europäischen Stationenweg fast 70 Städte in insgesamt 19 Ländern miteinander. Und das sei gerade in Zeiten, in denen die europäische Idee hinterfragt werde wie nie zuvor, etwas ganz Besonderes, sagte Landessuperintendentin Dr. Birgit Klostermeier bei der Begrüßung des Trucks in Osnabrück. Nur durch die Verbundenheit der Nationen, durch die Verbindung von Verantwortung und Freiheit, nur so könne Frieden gelingen und gestaltet werden, so die evangelische Regionalbischöfin.
Zwei der 67 Stationen des Reformationstrucks liegen im Bereich der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Schnell sei klar gewesen, dass einer der Orte Osnabrück sein würde, sagte Arend de Vries, der Geistliche Vizepräsident im Landeskirchenamt, am Abend in Osnabrück. Durch die Auswirkungen der Reformation, den Westfälischen Frieden, den Wechsel von katholischen und evangelischen Fürstbischöfen und das heutige Miteinander der Konfessionen sei die Stadt prädestiniert gewesen, sagte de Vries.
Oberbürgermeister Wolfgang Griesert erinnerte an Franz von Waldeck. Er führte in seiner Amtszeit Mitte des 16. Jahrhunderts als katholischer Bischof in Osnabrück die Reformation ein. Das sei ein Alleinstellungsmerkmal – genau wie die Ökumene, die in Osnabrück bis heute gemeinsam gelebt werde. Auch in der Region Osnabrück, sagte Griesert und nannte als Beispiel ein Taufbecken in Badbergen, das von katholischen und evangelischen Christen geteilt wurde.
„Nicht ohne Dich“ ist einer der Slogans, mit denen der Reformationstruck durch die Lande fährt. Nur gemeinsam könne es gelingen, christliches Zeugnis abzulegen, sagte Reinhard Molitor vom Bistum Osnabrück. Auch die katholische Kirche habe sich durch die Reformation weiterentwickelt; statt als Gegenreformation sollte sie vielmehr als Mitreformation verstanden werden, so Molitor.
Für den Leiter des Projektbüros Reformprozess bei der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Dr. Konrad Merzyn, sind zwei Aspekte wichtig: Zum einen solle der Truck die Vielfalt in der Wirkungsgeschichte der Reformation aufzeigen, in Europa und der ganzen Welt. Dabei gehe es nicht um ein nationales oder gar ein Luther-Jubiläum, betonte Merzyn. Zum anderen gehe es nicht um eine rückwärtsgewandte Rekonstruktion, sondern um die Bedeutung der Reformation und ihre Auswirkungen auf unser Leben heute. Davon soll der Truck erzählen.
Der Truck ist bis heute Abend geöffnet. Er reist morgen weiter in Richtung Minden, bevor er die Geschichten unter anderem aus Osnabrück zum Beispiel nach Rom, Dublin, Turku und Ljubljana trägt.